Fachartikel
19.3.21

Test 1 - Der Buchauszug für Versicherungsvermittler

Grundlagen des Buchauszugs

Ein Buchauszug wird regelmäßig nicht während einer gut laufenden, partnerschaftlichen Geschäftsbeziehung angefordert. Oftmals geht der Anforderung eine finanzielle Forderung voraus. Hierbei ist es irrelevant, ob der Vertreter oder das Versicherungsunternehmen diese geltend macht. Spätestens bei einer Gerichtsverhandlung wird argumentiert, dass der Vermittler seine eigenen oder gegen ihn gestellten Ansprüche gar nicht prüfen kann, da ihm der Buchauszug fehlt. Der Buchauszug dient dem Zweck der Prüfung der Provisionsabrechnung auf Vollständigkeit und Korrektheit. Die rechtliche Grundlage hierzu bildet §87c HGB.

Ein Anrecht auf die Erteilung eines Buchauszugs haben Handelsvertreter nach §84 HGB und Angestellte nach §65 HGB. Dieser Anspruch kann nicht ausgeschlossen werden und die Anforderung stellt, selbst nach jahrzehntelangem Verzicht und langjähriger Akzeptanz der Provisionsabrechnung, kein Verstoß gegen Treu und Glauben dar.

Der Buchauszug ist stets auf Kosten des zu erteilenden Unternehmens zu erstellen. Auch hohe Erstellungsaufwände führen nicht zur Unzumutbarkeit.
Gesetzlich werden weder Form noch Inhalt definiert, lediglich der Zweck des Buchauszugs ist festgelegt: Die Überprüfung der Provisionsansprüche auf Vollständigkeit und Korrektheit. Die bisherige Rechtsprechung mahnt regelmäßig unübersichtliche Formen, unverständliche Angaben und mangelnde Transparenz an. Die Verjährungsfristen bemessen sich an der Regelfrist des BGB von 3 Jahren zum Ende des Jahres, in dem der Anspruch entsteht. Allerdings werden oftmals längere Zeiträume zugesprochen und auch Stornohaftzeiträume können zu einer Verlängerung des Anspruchszeitraums führen.
Wenn kein Buchauszug erteilt werden kann, oder berechtigte Zweifel an der Richtigkeit bestehen, kann der Handelsvertreter verlangen, dass ihm selbst, einem Wirtschaftsprüfer oder einem vereidigten Buchsachverständigen Einsicht in die Bücher gewährt wird.

Ob die meisten Versicherungsunternehmen zum heutigen Stand einen akzeptablen Buchauszug erteilen können, darf stark bezweifelt werden. Dies lässt dem Buchauszug ein erhebliches Risikopotential zukommen. Neben dem Aufwandsrisiko für Erstellungsaufwände des Buchauszugs bestehen auch finanzielle Risiken für schlechte juristische Vergleiche oder verlorene Gerichtsverhandlungen. Auch wird die Organisation des Versicherungsunternehmens oftmals überlastet, da die Erstellung des Buchauszugs meistens weder standardisiert, noch technisch unterstützt ist. Außerdem wird die Reputation des Versicherungsunternehmens geschädigt.

Auswirkung bei Nicht-Erstellung des Buchauszugs

Sofern ein Buchauszug nicht oder in nicht ausreichender Qualität erstellt werden kann, wird die eigene Handlungsposition geschwächt. Eigene Forderungen können nicht untermauert und gegnerische Forderungen nicht entkräftet werden. Zur Durchsetzung des Rechts nach §87c HGB kann auch ein vom Gericht bestellter Buchprüfer die benötigten Angaben ermitteln. Die Kosten entstehen dabei dem Versicherungsunternehmen, unabhängig vom Ausgang des weiteren Verfahrens. Zudem sollte die Wirkung von regelmäßigen Niederlagen vor Gerichten in der Branche nicht unterschätzt werden.
Aus den Auswirkungen bei Nicht-Erstellung des Buchauszugs werden auch die Vorteile deutlich, die entstehen, wenn ein Buchauszug möglichst voll maschinell erstellt werden kann. Diese Vorteile sind in Abbildung 1 (Folgeseite) zusammengefasst.

Abbildung 1: Vorteile der maschinellen Erstellung von Buchasuszügen
Ermittlung des benötigten Inhalts

Der inhaltliche Umfang eines Buchauszugs begründet sich hauptsächlich aus den Provisionsvereinbarungen, den Provisionstabellen und weiteren Dokumenten und Abreden, die sich auf den Provisionsanspruch des Vermittlers beziehen. Hierbei sind nicht nur einmalige Provisionszahlungen abzubilden, sondern auch laufende Provisionszahlungen und Zahlungen, welche als Provisionssurrogat anzusehen sind. Die Angabe einer Information im Buchauszug sollte immer auf ihre Provisionsrelevanz hin überprüft werden, um unnötige Angaben zu vermeiden. Dies sollte unter Bezugnahme auf die benötigte Übersichtlichkeit und Transparenz geschehen, aber auch, um nicht zu viele Kunden-/ Vertragsdaten preis zu geben. Auf Tarifierungsmerkmale ohne direkte Provisionsrelevanz und auf die Verwendung von selbst berechneten Provisionsbezugsgrößen wie z. B. Vergütungswertungssummen sollte grundsätzlich verzichtet werden. Ein puristischer Ansatz, bei dem der Vermittler unter Zuhilfenahme seiner Provisionsvereinbarungen und dem Buchauszug seinen Provisionsanspruch berechnen kann, könnte durchaus interessant sein.

Weitere notwendige Angaben sind Daten über die eindeutige Zuordnung des Vorgangs wie z. B. Name und Anschrift des Versicherungsnehmers und Vermittlers sowie korrespondierende Ordnungsbegriffe wie die Versicherungsscheinnummer.

Der Buchauszug offenbart, wie gut Ihr Datenhaushalt organisiert ist

Sind die provisionsrelevanten Attribute, die gemäß den individuellen Provisionsvereinbarungen für die Anzeige im Buchauszug notwendig sind, identifiziert, stellt sich die Herausforderung, die Datentransparenz und Datenverfügbarkeit sicherzustellen. Es ist zu ermitteln, ob alle benötigten Daten systemseitig gepflegt und technisch abrufbar sind. Notwendig dazu ist die attributweise Analyse und Klärung der Datenherkunft aus den jeweiligen Systemen der individuellen Anwendungslandschaft. Ziel ist die eindeutige und konsistente Klärung der Datenherkunft je Attribut, inklusive der für den Buchauszug notwendigen Historie.
In vielen Versicherungsunternehmen sind mittlerweile Data-Warehouses (DWH) implementiert, die oft eine zuverlässige, jedoch selten eine vollständige Quelle der benötigten Daten bieten. Hier ist die rationale Abwägung mit allen Stakeholdern im Unternehmen notwendig, ob die Erweiterung der DWH-Lieferstrecken in einem angemessenen Kosten/Nutzen-Verhältnis steht oder ob für die Umsetzung des Buchauszuges besser auf eine alternative Lösungsstrategie gesetzt werden sollte.

Beim Stichwort Datenverfügbarkeit werden sich viele an die noch nicht weit zurückliegende Einführung der EU-DSGVO erinnert fühlen. Wichtig zu wissen ist, dass die EU-DSGVO dem Anspruch auf Buchauszug nach § 87c Abs. 2 HGB nicht entgegen steht. Selbst wenn ein Buchauszug Geschäftsgeheimnisse der Versicherung (§ 90 HGB) und besondere personenbezogene Daten (Art. 9 DSGVO) enthält, ist er für den Versicherungsvertreter auf Verlangen zu erstellen. Dies hat das OLG München noch im Juli vergangenen Jahres klargestellt (OLG München, Urteil vom 31.07.2019, Az. 7 U 4012/17). Bei der Konzeption im Buchauszugprojekt ist also wichtig, dass die Anonymisierung und Pseudonymisierung von Kunden- oder Vertragsdaten nach den Vorgaben der EU-DSGVO dem Buchauszug nicht im Weg steht. Nicht selten werden an dieser Stelle notwendige Anpassungen an der Umsetzung der EU-DSGVO bei Versicherern erkannt, wenn es beispielsweise um die zur Verarbeitung eingeschränkten personenbezogenen Daten geht.

Sind für alle Attribute des Buchauszuges die Herkunft und der Weg der Daten bis in den Buchauszug geklärt, stellt sich die Frage, wie die Daten im späteren Buchauszug adäquat dargestellt werden sollen. Die vertragsgebundene Speicherung in den Bestandssystemen muss für den Buchauszug in eine vermittlerbezogene Darstellung gewandelt werden. Diese vermittlerbezogene Ansicht muss dann, wegen der im Gesetz geforderten leichten Verständlichkeit, jedoch immer noch die Möglichkeit bieten, den Lebenszyklus des Versicherungsvertrags mit allen provisionsrelevanten Änderungen nachzuvollziehen.

Umgang mit heterogenen Anwendungslandschaften in der Versicherungs-IT

In vielen deutschen Versicherungsunternehmen ist die IT-Anwendungslandschaft bestückt mit einer Vielzahl unterschiedlicher Systeme, die als Ursprung für buchauszugsrelevante Daten in Frage kommen. Oft gibt es verschiedene Bestandsführungssysteme zu verschiedenen Lines of Business oder je Sparte/Produkt unterschiedliche Bestandsführungssysteme. Ursächlich für diesen Umstand sind oft das historische Wachstum des Versicherungsunternehmens und eine damit verbundene, noch nicht abgeschlossene IT-Integration oder auch komplexe Datenmigrationsprojekte, mit denen die vorhandenen Systeme in der Vergangenheit mit Daten bestückt wurden. Vergangene oder auch noch laufende Datenmigrationen stellen für die Buchauszugerstellung eine wesentliche Herausforderung dar. Jede Datenmigration birgt das Risiko von Datenverlust, aber auch einer verlorenen schematischen und systematischen Verarbeitung der Daten aus der Vergangenheit. Die Darstellung der Daten im Buchauszug wird dann besonders anspruchsvoll. Die Abschaltung oder die fehlende Anbindung von Altsystemen birgt die Gefahr einen Buchauszug nicht vollständig darstellen zu können.

Der Grundsatz der Transparenz und Verständlichkeit im Buchauszug gebietet es, eine möglichst identische Darstellungsform für alle dargestellten Sparten und Produkte zu wählen. Über die Systeme hinweg ist daher oft eine Harmonisierung der Datenfeldbezeichnungen zur eindeutigen Identifizierung der Systeminhalte im späteren Buchauszug notwendig.

Neben den bereits genannten Punkten, welche bei der Buchauszugerstellung zu beachten sind, ist auch die Abbildung der komplexen Fachlichkeit im Versicherungsvertrieb ein weiterer Stolperstein. Beispielsweise können unterschiedliche Provisionsvereinbarungen im Laufe der Zeit die Notwendigkeit entstehen lassen, im Buchauszug für verschiedene Zeitpunkte, unterschiedliche provisionsrelevante Attribute anzuzeigen. Bei der Konzeption und Umsetzung einer möglichst vollautomatischen Lösung für die Erstellung von Buchauszügen, ist daher auch die zeitliche Dimension bei der Attributsfindung und Klärung der Datenherkunft zu beachten.

Wichtiges Erfolgskriterium: Das Projektsetup

Die bisher aufgezeigten Schwierigkeiten, die im Laufe eines Buchauszug-Projekts auf das Projektteam zukommen, zeigen deutlich, dass ein modernes, agiles Projektsetup beinahe zwingend erforderlich ist. Da die hohe fachliche Komplexität des Themas nicht zwingend mit der Realität einhergeht und auch die Systemarchitektur an sich komplex sein kann, ist nach der Projektinitiierungsphase dringend angeraten, in einem Prototyping-Verfahren den gesamten Anforderungskatalog abzuarbeiten. Ein mögliches Vorgehensmodell wird in Abbildung 2 dargestellt. Klassische Projektvorgehensmodelle, z. B. im Wasserfallmodell, scheitern erfahrungsgemäß meistens an den oft volatilen Anforderungsdefinitionen, die durch unterschiedliche beliefernde Systeme vorgegeben werden. Der agile Ansatz erlaubt, z. B. bei einem sparten- oder produktweisen Vorgehen, die notwendigen Software-Tests bereits in den Umsetzungsprints durchzuführen, um sich Stück für Stück der finalen Buchauszugslösung zu nähern. Nach der intensiven Projektphase, in dem der Prototyp zum fertigen Produkt entwickelt wird, sollte sich vor der Übergabe in die Linienorganisation ein finaler Bereitschaftstest anschließen, in dem die einzelnen Umsetzungen integrativ getestet werden. Dabei werden dann spezifische Faktoren des fertigen Buchauszugs, z. B. die Funktionsfähigkeit von definierten Sortierkriterien, intensiv getestet.

Abbildung 2: Beispielhafter Projektplan für ein agiles Buchauszugsprojekt
Operationalisierung des Buchauszugs

Auch wenn das Projekt „Buchauszug“ wie ein rechtliches Thema beginnt, wird es im weiteren Verlauf überwiegend ein IT-Projekt. Die Aufarbeitung des Themas bringt neben der Überprüfung der Provisionsvereinbarungen auf klare Formulierungen auch weitreichende Erkenntnisse in Bezug auf die vorhandenen Prozesse und Datenqualität mit sich. Hier können Optimierungen von Arbeitsabläufen zur Steigerung der Datenqualität beitragen, welche für einen akzeptablen Buchauszug unabdingbar sind. Auch sollte der Fokus auf einen maschinell erstellbaren Buchauszug gelegt werden, um Risiken einer manuellen Erstellung zu minimieren. Zudem bringt der Buchauszug auch Synergien für andere Themen mit sich, da die bereitgestellten Informationen auch für das Thema Berechnung von Ausgleichsansprüchen, Data-Analytics oder Controlling-Themen zur Verfügung stehen.

Da der Buchauszug, wenn er nicht erstellt werden kann, als das schärfste Schwert des Vermittlers im Kampf gegen Forderungen des Versicherungsunternehmens gilt, besteht hier die Chance, die eigene Verhandlungsposition mit einem Buchauszug zu stärken.

Es ist durchaus möglich, keine Magenschmerzen mehr zu bekommen, wenn das Wort „Buchauszug“ fällt. Dafür muss allerdings ein Wille zur Beschäftigung mit diesem Thema vorhanden sein. Da hier die unterschiedlichsten Bereiche eines Versicherungsunternehmens betroffen sind, ist eine entsprechende Managementattention hilfreich.